Nachruf Ferdinand Piëch
Molsheim
Bugatti trauert um großen Förderer und genialen Entwickler der Autogeschichte.
Ohne ihn würde es Bugatti in der heutigen Form nicht geben: Ferdinand Piëch kaufte 1998 in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG die Markenrechte an Bugatti, kurze Zeit später das Château und Grundstück im elsässischen Molsheim. Nun starb er im Alter von 82 Jahren. Ein großer, wenn nicht sogar der größte Autoingenieur und Visionär der Automobilgeschichte geht.
„Mit Ferdinand Piëch verliert Bugatti den größten Förderer und einen sehr guten Freund der Marke, einen echten Bugattisti. Ohne Ferdinand Piëch wäre Bugatti nicht dort, wo das Unternehmen heute steht. Seine Vision von einer modernen, französischen Luxusmarke mit atemberaubenden Hypersportwagen entsprang vor über 20 Jahren seiner Kreativität. Die ganze Belegschaft ist tief erschüttert und trauert um ihn“, sagt Stephan Winkelmann, Präsident von Bugatti. Bis zuletzt interessierte Ferdinand Piëch sich für technische, komplexe Dinge. Nun ist er im Beisein seiner Familie gestorben – nach einem langen und ereignisreichen Leben.
Der am 17. April 1937 in Wien geborene Piëch ließ sich seit seiner Kindheit von Technik begeistern, besonders von Technik zum Fortbewegen. Bereits mit neun Jahren konnte er Auto fahren. Nach seiner Schulzeit studierte er Maschinenbau in Zürich. Als Enkel Ferdinand Porsches und Neffe von Ferry Porsche stieg Ferdinand Piëch ab 1963 in das Familienunternehmen ein, arbeitete in verschiedenen Positionen als Ingenieur bei Porsche. Hier entwickelte er den legendären Rennwagen 917. Später bei Audi zeichnete er sich verantwortlich für den ersten Fünfzylinder-Motor, den Turbodiesel TDI und den Allradantrieb quattro. Er entwickelte einzelne Motoren sowie komplette Autos. 1988 wurde Piëch Vorstandsvorsitzender der Audi AG, fünf Jahre später Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. In dieser Funktion fädelte er 1998 den Kauf der Namensrechte von Bugatti ein. Eine Marke, die ihn früh faszinierte.
Eleganz und Technik begeisterten Ferdinand Piëch
Vor allem die fortschrittliche Technik von Rennwagen wie dem Type 35, die Eleganz eines Type 41 Royal und die ikonenhafte Schönheit eines Type 57 SC Atlantic begeisterten ihn. Seine Idee für die Neuausrichtung der legendären französischen Marke hatte er in einem Urlaub, wie er es später erzählte. Es war ein Wink des Schicksals: In einem kleinen Spielzeugladen will Ferdinand Piëch seinem Sohn Gregor eine Freude machen und ihm ein Rolls-Royce-Spielzeugauto kaufen. Doch der Kleine zeigt auf ein anderes Modell – einen Bugatti Type 57 SC Atlantic. „Für mich war es ein drolliger Fingerzeig, mich neben Rolls-Royce/Bentley auch für Bugatti zu interessieren“, schrieb er. Beide Unternehmen standen zu der Zeit zum Verkauf.
Ferdinand Piëch engagierte sich stärker für das Unternehmen, führte über Monate Gespräche mit dem damaligen Eigentümer Romano Artioli. Piëch hatte eine Vision, wie so oft: „Gerade ein Begriff wie Bugatti darf nicht durch Massenware und Boulevardmethoden entwertet werden“, schrieb er in seiner Biografie. „Bugatti muss stets das Außergewöhnliche bieten. Das Unübertroffene. Das Optimum. Nur das ist Bugatti. Die Spitze der gesamten Automobilwelt.“ Die Marke musste einzigartig in der Automobilwelt werden, jedes Fahrzeug ein Solitär.
Ferdinand Piëch führte Bugatti zurück an die Spitze des Automobilbaus
Sein Ansatz: Bugatti zurück an jene Stelle zu führen, wo sie zu ihrer Hochblüte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren war – an die automobile Weltspitze. Die bekannten historischen Werte - Design, Kreativität, Elite-Bewusstsein - wollte Ferdinand Piëch weiter anheben. Dazu gehörten auch Leistung und Leistungsgewicht. Mit der vierten Designstudie waren Piëch und Bugatti ungefähr dort, wo sie hinwollten: Die klassische Eleganz eines Atalante in die Moderne zu transportieren und das Modell technisch optimal auszustatten. Für ihn hieß das: Mindestens 1.000 PS, mindestens 400 km/h Höchstgeschwindigkeit und die Möglichkeit, von der Rennstrecke direkt zur Oper zu fahren, ohne sich schämen zu müssen.
Das erste serienfertige Modell, das den außergewöhnlichen Anforderungen entsprechen sollte, benötigte ein paar Jahre Vorlauf. Bugatti begab sich auf technisches Neuland. Den ersten Prototyp des neuen Hypersportwagens zeigte Bugatti im Herbst 1998 auf dem Pariser Autosalon, ein Jahr später folgt auf der IAA in Frankfurt ein Mittelmotor-Coupé. Nur ein halbes Jahr später präsentierte die französische Luxusmarke die Studie 18/4 Veyron, benannt nach dem Rennfahrer Pierre Veyron, der 1939 auf einem Bugatti in Le Mans gewonnen hat. „Ich habe noch nie ein Auto gesehen, das zugleich so aufregend sinnlich und so kompromisslos sportlich ist und daher ideal zur Renaissance von Bugatti passt“, schreibt er in seiner Biografie. Er hatte wie so oft recht. Mit dem ersten Chiron 16/4 kratzt Bugatti an der Grenze der Physik, setzt die Anforderungen Piëchs perfekt um.
„Ferdinand Piëch ist unmittelbar mit dem Erfolg von Bugatti verknüpft. Unsere modernen Hypersportwagen stehen nicht nur in der langen Tradition Ettore Bugattis, sondern sind auch ein Vermächtnis Piëchs herausragende Leistung. Wir verbeugen uns vor seiner Kreativität und Genialität. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie“, sagt Stephan Winkelmann.
In stiller Trauer
Die Mitarbeiter der Bugatti Automobile S.A.S.
Stephan Winkelmann, Präsident Bugatti