Bugatti Targa Florio – Mit dem Bugatti Divo auf Albert Divos Spuren
Molsheim
Kaum eine Rennstrecke ist mit Bugatti so stark verbunden wie die Targa Florio. Der französische Hersteller gewann dort fünfmal. Jetzt treffen erstmals der neue Divo und ein Bugatti Type 35 auf der historischen Strecke aufeinander.
Targa Florio, Type 35 und Bugatti Divo¹. Drei Legenden, die endlich zusammenfinden. Bugatti fährt mit dem Bugatti Divo auf der historischen Rennstrecke auf Sizilien. Ebenfalls mit dabei: ein Type 35, der erfolgreichste Rennwagen aller Zeiten. Ein Treffen der ganz besonderen Art. Zwischen 1925 und 1929 dominiert Bugatti mit dem Type 35 das Langstreckenrennen auf Sizilien. Insbesondere 1928 und 1929 zeigt ein Pilot sein Können: Albert Divo.
Bugatti Divo
Ihm zu Ehren designte und entwickelte Bugatti einen auf nur 40 Einheiten limitierten Hypersportwagen. Höchst individualisiert, performant und exklusiv. „Der Divo zählt heute schon zum Meilenstein in der über 110-jährigen Geschichte Bugattis“, sagt Stephan Winkelmann, Präsident von Bugatti. „Mit dem jetzt ausgelieferten Divo beginnt für Bugatti die neue Zeitrechnung des modernen Coachbuilding. Es ist ein individualisiertes Meisterstück automobiler Handwerkskunst, eine kommende Legende.“
Mit der freiwilligen Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 380 km/h generieren die Ingenieure mehr Abtrieb, was Agilität und Querdynamik steigert. Technisch und optisch entsteht dadurch ein eigenständiges Modell. Über den NACA-Air-Duct-Lufteinlass mit der Mittelfinne des Daches erhält der 8,0-Liter-W16-Motor mit 1.500 PS seine Ansaugluft und verbessert die Luftströmung. Er leitet die Luft zielgenau auf den 1,83 Meter breiten Heckflügel und minimiert Turbulenzen. Dank schlankerer Linien, zusätzlichen Lufteinlässen, reduzierter Stirnfläche, schmaler Frontspoiler, flacherer LED-Scheinwerfer und komplexen 3-D-Heckleuchten wirkt der Divo minimalistisch-dynamisch. Die ersten der jeweils 5 Millionen Euro teuren Divo-Modelle gingen erst kürzlich an ihre Besitzer. Bis zum Ende des ersten Quartals 2021 werden alle 40 Einheiten an ihre Kunden ausgeliefert sein.
Bugatti Type 35
Der Bugatti Type 35 ist ein reinrassiger Rennwagen und wie sein neuer Nachfolger eine technische Meisterleistung: Erstmals setzt Bugatti Anfang der 1920er-Jahre einen zweifach rollengelagerten und dreifach kugelgelagerten Kurbelbetrieb ein – die Kurbelwelle gilt als Meisterstück der Ingenieurskunst. Sie dreht mit bis zu 6.000 U/min, um die acht Kolben in dem anfangs 2,0 Liter großen Motor zu bewegen. Zwei Vergaser versorgen den Achtzylinder ausreichend mit Kraftstoff, die Leistung liegt bei etwa 95 PS, die Kraftübertragung erfolgte über eine nasse Mehrscheibenkupplung. Die ersten Type-35-Modelle fahren über 190 km/h, spätere Type-35-B-Fahrzeuge mit dem 2,3-Liter-Achtzylinder leisten dank eines Kompressors bis zu 140 PS. Geschwindigkeiten jenseits der 215 km/h sind damit möglich. Neben der hohen Leistung überzeugen die Motoren durch ihre Zuverlässigkeit und Langlebigkeit – beste Voraussetzungen für Langstreckenrennen wie der Targa Florio Ende der 1920-Jahre.
Test- und Entwicklungsfahrer Andy Wallace
Gut 90 Jahre später sitzt Andy Wallace hinterm Steuer des Type 35 und arbeitet am Lenkrad. Enge Kurven, steile Hänge und staubige Pisten. Die Strecke verlangt dem offiziellen Bugatti Piloten, Rennfahrer und Le-Mans-Gewinner einiges ab. „Was die Rennfahrer wie Albert Divo damals geleistet haben, ist unglaublich. Auch wenn der Type 35 für sein Alter einfach fährt, ist doch permanente Muskelarbeit gefragt. Die vielen Kurven sind eng, die Strecke unübersichtlich und der Asphalt in einem sehr schlechten Zustand. Überholen ist nicht möglich“, sagt Wallace. Der Brite kennt sich mit schnellen Fahrzeugen aus. Seit 2011 fährt und testet er Bugatti Fahrzeuge, 33 Jahre lang griff er als Rennfahrer ins Lenkrad, gewann berühmte Langstreckenrennen wie die 24-Stunden-Rennen in Le Mans, Daytona und Sebring.
Der auf Kurvenagilität ausgelegte Divo fühlt sich auf der Strecke der historischen Targa Florio wohl. „Ich bin tief beeindruckt, wie der Divo, der aufgrund seiner Dynamik für deutlich höhere Geschwindigkeiten ausgelegt ist, mit diesen teilweise sehr schlechten Straßen und kurzen Abschnitten bis zur nächsten Kurve zurechtkommt. Lenkung, Federn, Dämpfer, Regelsysteme, Getriebe und Bremse reagieren auf jeden Fahrbefehl sehr direkt und präzise. Selbst nach großen Bodenwellen absorbieren die Federn sehr schnell die Energie, so dass der Divo niemals den Bodenkontakt verliert – eine überragende Leistung der Entwickler“, sagt Andy Wallace.
Targa Florio Langstreckenrennen
Die Targa Florio auf Sizilien zählte vergangenes Jahrhundert zum bedeutendsten, aber auch schwierigsten und gefährlichsten Langstreckenrennen der Welt. Erstmals starten internationale Fahrer 1906 auf den Straßen der sizilianischen Unternehmer-Familie Florio – daher der Name. Bald nehmen schon alle wichtigen Sportwagenhersteller teil. Wer hier gewinnt, stellt automatisch seine Schnelligkeit und Zuverlässigkeit unter Beweis – ein Kaufargument.
Anfangs beträgt eine Runde des „Piccolo circuito delle Madonie“ etwa 148 Kilometer, ab 1919 liegt eine Rennrunde bei 108 Kilometern. Die Strecke verläuft entgegen des Uhrzeigersinns und beinhaltet etwa 1.400 Kurven. Fünf Runden ergeben 540 Kilometer – auf öffentlichen, holprigen und staubigen Bergstraßen. Die Targa Florio bleibt bei jedem Rennen eine gefährliche Strecke und ist nur etwas für wahre Könner am Lenkrad. Die Teams dürfen überall auf der Strecke die Fahrzeuge tanken und die Reifen wechseln, Fahrerwechsel mit einem vorher benannten Ersatzfahrer jedoch nur am Ende einer Runde und in Anwesenheit eines Rennleiters.
Rennleiter und Fahrer Meo Constantini gewinnt 1925 erstmals auf einem Bugatti Type 35, ein Jahr später wiederholt er den Sieg, 1927 siegt Emilio Materassi auf einem Type 35 C. Albert Divo gewinnt 1928 im Type 35 das Langstreckenrennen, ein Jahr später wieder. Mit seinem zweiten Sieg stellt er gleichzeitig einen Rekord auf: Nie zuvor schaffte bei dem Langstreckenrennen ein Automobilhersteller fünf Siege in Folge. Bis zum Ende der letzten offiziellen Rennen im Jahr 1977 einzigartig.
Die frühere Strecke des „Piccolo circuito delle Madonie“ führt entlang der historischen Boxengasse in Floriopoli durch Cerda im Westen. Die Originalstrecke geht vorbei am 500 Meter hoch gelegenen Caltavuturo im Süden wieder ins Tal, danach hohe Bergstraßen, durch Collesano und wieder hinab nach Campofelice di Roccella. Entlang des Mittelmeers geht es die nächsten Kilometer wieder Richtung Cerda. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, hier auf der legendären Targa Florio mit dem historischen Rennwagen der damaligen Zeit, dem Bugatti Type 35, und dem neuen Divo zu sein. Für mich schließt sich ein Kreis“, sagt Andy Wallace.
Ausnahme-Talent Albert Divo
Albert Eugène Diwo, erst später nennt er sich Divo, was im Italienischen Star‘ heiß, ist nicht nur der Namensgeber der neuen Kreation von Bugatti, sondern ein Ausnahmetalent. Der am 24. Januar 1895 geborene Franzose interessiert sich schon als Kind für Technik und beginnt mit 13 Jahren eine Ausbildung als Schiffsmechaniker. Technisch komplexe Systeme begreift er schnell und verbessert sie. Anfang des 19. Jahrhunderts erweckt die noch junge Fliegerei sein Interesse. Im Ersten Weltkrieg verteidigt er als Kampfpilot sein Land, verbessert am Boden die Maschinen.
Einmal der Geschwindigkeit und der Technik verfallen, sucht Divo in Friedenszeiten Ersatzfahrzeuge. Er findet sie ab 1919 in Rennwagen. Divo zeigt sein Talent schnell auch für schnelle Fahrzeuge. Er beginnt bei Sunbeam und Talbot-Darracq, gewinnt 1923 in Sitges den Großen Preis von Spanien, ein Jahr später wechselt er zu Delage, fährt weiter Erfolge ein. 1928 wechselt er zu Bugatti, nennt sich Divo und gewinnt im selben Jahr und 1929 auf einem Type 35 die Targa Florio. Innerhalb von 20 Jahren entscheidet er viele Rennen für sich, darunter sechs Grand-Prix-Rennen. Bis 1933 bleibt er bei Bugatti, arbeitet dort weiter als Fahrer und Entwickler. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt Divo dem Motorsport eng verbunden, als Rennleiter bei einem Ölproduzenten. Albert Divo stirbt 1966 in Frankreich.
2018 gibt Bugatti zu seinen Ehren bekannt, den neuen Bugatti Divo nach dem Rennfahrer zu benennen. Eine Verbeugung vor seiner Leistung im Dienst der französischen Marke – wie auf der legendären Targa Florio.