Bugatti EB 110 Sport Competizione – Zurück an den Start wie vor 25 Jahren
Molsheim
Vor 30 Jahren stellte Bugatti den EB 110 vor. 1996 startete der EB 110 SC letztmalig bei einem internationalen Rennen. Jetzt kehrt der Supersportwagen an die Ziellinie in Dijon zurück.
Die Motoren drehen hoch, fast in den Begrenzer. Als die Ampel auf Grün springt, beschleunigen die Rennwagen unter Volllast, vernachlässigen ihre Ideallinie und suchen sich im Getümmel eine Lücke. Darunter: der Bugatti EB 110 SC, einer von nur zwei jemals offiziell gebauten Bugatti EB 110-Rennwagen. Beim 2-Stunden-Rennen in Dijon geht der Bugatti am 9. Juni 1996 mit der Nummer 18 an den Start. Von der Startlinie kommt er gut weg, kämpft sich vor. Es sollte leider sein letztes Rennen sein.
Am Steuer des Supersportwagens: Der monegassische Geschäftsmann und Rennfahrer Gildo Pallanca-Pastor. Mit 29 Jahren zählt er zu den jüngsten Teilnehmern, gleichzeitig gehört ihm das Monaco-Racing-Team, das den EB 110 SC einsetzt. Ein schon damals außergewöhnliches Fahrzeug und ein Exot unter den sonstigen Rennfahrzeugen. Dieses Jahr feiert der EB 110 ein Jubiläum.
Nach dem vorläufigen Ende der berühmten Marke 1963 erweckt der Italiener Romano Artioli die Marke Ende der 1980er-Jahre zu neuem Leben. 1987 kauft er die Markenrechte und wird Vorsitzender der Bugatti Automobili S.p.A. Am 15. September 1990 weiht Artioli eine neue und wegweisende Fabrik in Campogalliano ein. Ein Jahr später, am 15. September 1991, es wäre Ettore Bugattis 110. Geburtstag, präsentiert Artioli den modernsten und fortschrittlichsten Supersportwagen seiner Zeit – den EB 110. Vor 30 Jahren sorgt das Coupé mit 3,5-Liter-V12, vier Turboladern, Allradantrieb und einem leichten Monocoque aus Carbon für großes Aufsehen. Bis zu 610 PS leisten die Triebwerke, beschleunigen konstant bis zur Höchstgeschwindigkeit. Und die ist hoch, liegt bei 351 km/h. Weltrekord für einen Seriensportwagen. Doch Artioli will mehr – er will, dass Bugatti wieder Rennen fährt. „Etwas, von dem wir dachten, dass es für eine Marke wie Bugatti entscheidend ist, ist der Rennsport“, sagte er einst.
Bugatti baut nur zwei offizielle Rennwagen des EB 110
In der Manufaktur entstehen neben dem EB 110 GT und 110 Super Sport zwei offizielle Werksrennwagen mit bis zu 700 PS. Der erste, ein blau lackierte EB 110 LM, startet beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Jahr 1994. Gildo Pallanca-Pastor wird auf den Rennwagen aufmerksam, interessiert sich für die Technik, die Marke und die Fahrzeuge. Mit einem serienmäßigen EB 110 Supersport stellt er im März 1995 einen Geschwindigkeitsrekord auf Eis auf. Doch er will lieber offizielle Rennen fahren und bestellt sich Ende 1994 bei Bugatti einen Rennwagen, um ab 1995 in der IMSA-Serie in den USA und bei anderen Langstreckenrennen teilnehmen zu können. Innerhalb von sechs Monaten entsteht der EB 110 Sport Competizione (SC). Gewichtsreduziert, neu gedacht und unglaublich schnell. Drei Fahrzeuge sind geplant, doch finanzielle Schwierigkeiten und Probleme mit den Zulieferern lassen bis Juni 1995 nur einen Rennwagen entstehen.
Mit dem startet Gildo Pallanca-Pastor bei IMSA-Rennen und bei der BPR Global GT Series, einer internationalen Rennserie für die besten seriennahen Supersportwagen. Der EB 110 SC läuft gut, nur Ersatzteile werden immer rarer. Denn der Markt für Supersportwagen bricht zur gleichen Zeit ein, die Nachfrage bei Bugatti sinkt und finanzielle Verbindlichkeiten häufen sich an. Zulieferer halten ihre Teile zurück. Als Bugatti Probleme mit Lieferanten bekommt und Artioli sie nicht mehr bezahlen kann, wird die Produktionsstätte am 15. September 1995 geschlossen – der sich dort gerade zur Wartung befindende Rennwagen wird vorläufig konfisziert.
Doch Gildo Pallanca-Pastor schafft es, den EB 110 SC aus der Konkursmasse zu retten. Er startet im Januar 1996 in Daytona, danach stehen die Vorbereitungen zu den 24 Stunden von Le Mans an. Dazu zählt auch der Lauf am 8. und 9. Juni im französischen Dijon. Im Training erreicht der Rennwagen einen starken vierten Platz, im ersten Lauf schiebt sich Pallanca-Pastor sogar auf den dritten Platz vor. Gildo Pallanca-Pastor ist mit der Performance zufrieden, freut sich schon auf das nächste Rennen. Doch kurz nach dem Start kollidiert er in der zweiten Runde mit einem anderen Teilnehmer und fällt aus. Die Ziellinie erreicht der silberne Rennwagen nicht mehr. Wegen fehlender Ersatzteile können die Mechaniker den Rennwagen nicht mehr rechtzeitig reparieren, somit startet der EB 110 Sport Competizione auch nicht beim eine Woche später beginnenden 24-Stunden-Rennen in Le Mans.
Damit endet die kurze Motorsportkarriere des bis heute letztgebauten Werksrennwagen von Bugatti. Doch der seltene Rennwagen überlebt, wird in den nächsten Jahren von seinem einstigen Käufer gewartet und gepflegt, ohne jedoch weitere Rennen zu bestreiten. Nach einigen Jahren verkauft Gildo Pallanca-Pastor den Sport Competizione an einen Bugatti-Enthusiasten. Das seltene Stück kehrt nun, 25 Jahre nach seinem letzten Rennen und 30 Jahre nach der Präsentation seiner Basis, zu seinem damaligen Einsatzort für ein Fotoshooting zurück.