Bugatti Centodieci – In der Kältekammer bei minus 20 Grad Celsius
Molsheim
Neben Hochgeschwindigkeits- und Langstreckenerprobungen zählen auch Hitze- und Kältetests zu den Entwicklungsumfängen eines jeden Bugatti. Selbst bei Kleinstserien wie dem Centodieci.
Seit zwei Tagen parkt der Bugatti Centodieci¹ bereits in einer speziellen Klimakammer. Nach Tests bei Raumtemperatur und Hitzetests bei bis zu 50 Grad Celsius kühlen die Ingenieure die Kammer nun auf Minusgrade. Seit zwölf Stunden parkt der Centodieci bei minus 20 Grad – bis auch die kleinste Titanschraube und das letzte Carbon-Teil die vorgegebene Temperatur erreicht haben.
Eine Woche lang überprüfen Ingenieure bestimmte Bauteile und Komponenten des Centodieci¹ in der Klimakammer. „Auch der Centodieci muss wie jeder Bugatti in allen Temperaturbereichen einwandfrei funktionieren, ganz gleich, ob bei 50 Grad Celsius oder bei minus 20 Grad Celsius. Das sind wir unserem Qualitätsversprechen und unseren Kunden schuldig“, sagt Carl Heilenkötter, technischer Projektleiter für One Off und Few Off-Projekte bei Bugatti. „Mit Tests in der Klimakammer können wir die unterschiedlichsten Versuche reproduzieren und die Ergebnisse exakt vergleichen, wieder und wieder.“ Daher sind die Hitze- und Kältetests in der Klimakammer für die Entwickler von grundlegender Bedeutung. Nur so stellen sie sicher, dass der Centodieci jederzeit sicher funktioniert - selbst wenn die Kunden ihr Fahrzeug vielleicht nie solchen extremen klimatischen Bedingungen aussetzen werden.
Einer der vielen durchgeführten Kältetests betrifft die Seitenscheiben. Bei der Seitenscheiben-Überkraftbegrenzungs-Vermessung muss selbst der auf nur zehn Einheiten limitierte Centodieci alle internen Normen und Gesetzesvorgaben erfüllen. „Die Seitenscheibe muss einen definierten Widerstand erkennen und notfalls reversibel wieder zurück fahren“, erklärt Jülf Fiedler, Entwicklungsingenieur Elektrik/Elektronik bei Bugatti.
Die mit dem Seitenscheiben-Motor verbundene Software regelt aus vordefinierten Parametern die nötige Kraft, um einen einwandfreien Lauf zu gewährleisten und gleichzeitig Personen durch eine Stopp-/Reversier-Funktion zu schützen. Würde kein Widerstand erkannt, könnte die Scheibe beispielsweise einen Apfel durchtrennen, im schlimmsten Fall sogar einen Finger quetschen.
Je nach Versuch fahren die Seitenscheiben hunderte Male hoch und runter, mit einem Messgerät wird die Kraft ermittelt. Entscheidend dabei sind nicht nur die Kraft des Motors, sondern auch die Reibung und damit der Widerstand der Dichtungen, das Umlenkgetriebe und das Glas. Alles muss genau aufeinander abgestimmt werden. Ändern sich das Material der Dichtung, die Scheibengröße oder der Antrieb, müssen die Versuche erneut durchgeführt werden. Denn je nach Zusammensetzung verhält sich der Kunststoff der Dichtungen anders. „In Abhängigkeit von der Temperatur variiert die Reibung der Dichtung, was in der Software für den Seitenscheibenmotor berücksichtigt werden muss. Die Seitenscheiben müssen bei allen Temperaturen zuverlässig hochfahren und die Überkraftbegrenzung muss sicher auf Widerstände reagieren und die Scheibe reversieren“, sagt Jülf Fiedler. Mit Kälteschutzanzügen, Mützen und Handschuhen arbeiten sie seit Stunden am Hypersportwagen in der Klimakammer.
Aufgrund seiner vielen einzigartigen Eigenschaften unterliegt der Centodieci einem hohen Maß an technischer Kontrolle. Der Centodieci spannt einen Bogen zu Bugattis zweiten Unternehmensära unter dem italienischen Entrepreneur Romano Artioli und ist eine Hommage an den ultimativen Supersportwagen der 1990er-Jahre, den Bugatti EB 110. Den Hypersportwagen treibt ein leistungsstarker 8,0-Liter-W16-Motor mit 1.176 kW/1.600 PS bei 7.050-7.100U/min an. Wegen der neu entwickelten Karosserie verhält sich der Centodieci anders als bisherige Modelle und muss daher in allen Bereichen aufwendig entwickelt, getestet und überprüft werden.
Nach einigen Versuchen und Feinjustierung der Software sind Carl Heilenkötter und Jülf Fiedler zufrieden. Die Fensterheber funktionieren auch bei zweistelligen Minusgraden einwandfrei.
In den nächsten Wochen werden die Bugatti-Ingenieure mit dem Centodieci weitere Tests durchführen. Neben den letzten Hochgeschwindigkeitsfahrten zählen dazu Dauerlaufversuche über eine Strecke von über 30.000 Kilometern (18.600 Meilen) nach einem detailliert festgelegten mehrwöchigen Prüfprogramm.
Erst wenn alle Tests erfolgreich abgeschlossen sind und das Fahrzeug vom Entwicklungsteam perfekt abgestimmt und freigegeben wurde, beginnt bald die Produktion in Handarbeit. Alle zehn Fahrzeuge werden noch in diesem Jahr an ihre neuen Besitzer ausgeliefert werden.