Technik-Innovationen – Bugatti druckt Blenden aus Titan
Molsheim
Bugatti Hypersportwagen wie Pur Sport und Super Sport 300+ setzen auf 3-D-Druck.
Fein und akkurat wie ein Spinnennetz, dabei so stabil wie ein massives Stahlkonstrukt und sehr leicht. Bauteile aus dem 3-D-Drucker bieten mehrere Vorteile, müssen aber aufwändig hergestellt werden. Deshalb finden sie meist in der Luft- und Raumfahrt ihren Einsatz.
Doch auch für den französischen Luxushersteller Bugatti bietet diese Produktionstechnik Vorteile. Die Hypersportwagen Chiron Pur Sportund Chiron Super Sport 300+ sind in allen Bereichen extrem. Deshalb setzen sie auf Fahrzeugteile, die im 3-D-Drucker entstehen.
„Bugatti steht für französischen Luxus und außergewöhnliche Fahrzeuge, aber auch für innovative Technik“, sagt Stephan Winkelmann, Präsident von Bugatti. „Neben dem ikonenhaften 8,0-Liter-16-Zylindermotor mit 1.500 PS zählen auch technische Innovationen zu unserem Markenkern, wie unsere im 3-D-Verfahren gedruckten Bauteile aus Titan oder einer Speziallegierung.“ Damit setzt Bugatti seine lange Tradition fort: Schon Firmengründer Ettore Bugatti entwickelte einzigartige Fahrzeuge mit neuen Technologien. Zu seinen Erfindungen zählen unter anderem leichte Aluminiumräder und eine hohle Vorderachse.
Einmalig im Automobilbau lässt Bugatti für seine neuentwickelten Hypersportwagen eine Auspuffblende aus Titan per 3-D-Verfahren drucken. Es ist das erste metallisch gedruckte 3-D-Sichtteil mit Straßenzulassung. Die ungefähr 22 Zentimeter lange, 48 Zentimeter breite und 13 Zentimeter hohe Blende am Heck des Chiron Pur Sport wiegt inklusive Gitter und Halter lediglich 1,85 Kilogramm – rund 1,2 Kilogramm weniger als die Blende des Chiron.
Vier Laser mit 400 Watt Leistung drucken zeitgleich Titan als Werkstoff zu einem Bauteil – an der dünnsten Stelle liegt die Wandstärke bei lediglich 0,4 Millimeter. Etwa 4.200 Schichten Metallpulver liegen übereinander und sind fest miteinander verschmolzen. „Dort, wo es möglich war, haben wir beim Chiron Pur Sport die Blende einschalig ausgelegt, um weiter Gewicht zu reduzieren“, sagt Nils Weimann, Leiter Entwicklung Aufbau bei Bugatti. „Möglich wird die minimale Materialdicke in mehrschaligen Bereichen durch die sogenannte Lattice-Struktur, eine Füllung des Hohlraums mit vielen filigranen Streben. Damit stützen sich die Wände im Bauprozess stabil gegeneinander ab – bei minimalem Materialeinsatz. Eine bionische wabenartige Struktur setzen wir im einschaligen Bereich ein, um die Flächensteifigkeit der Wände zu erhöhen. Selbst große Bauteile erhalten dadurch eine hohe Flächensteifigkeit“, erklärt Weimann. Dennoch hält die filigrane Blende Temperaturen von über 650 Grad Celsius stand. Denn zur thermischen Isolierung entsteht die äußere Wand doppelwandig. Dadurch schützt die Blende Umgebungsbauteile vor zu viel Abstrahlhitze unter Motorvolllast. Gleichzeitig kühlt Frischluft um die Blende herum das Bauteil.
Bugatti setzt 3-D-Druck schon seit 2018 ein
Es ist nicht das erste Mal, dass Bugatti Bauteile mit dem 3-D-Drucker entwickelt. Schon seit 2018 produzieren die Ingenieure für den Chiron Sportund den Divo diese spezielle Blende. Auch die 2019 vorgestellten Editionen „La Voiture Noire“, der ultimative Grand Tourisme für einen Bugatti-Enthusiasten und der Centodieci, eine Neuinterpretation des EB110, integrieren das gedruckte Bauteil. Aus dem Werkstoff Inconel® 718, einer besonders hitzebeständigen, harten und leichten Nickel-Chrom-Legierung, entsteht beim Chiron Sport eine 53 Zentimeter breite und 22 Zentimeter lange Blende. Dieser Werkstoff findet sonst Einsatz in Gasturbinen, Flugzeug-Turbinenschaufeln, Raumschiffen und Transport-Raketentriebwerken. Aluminium würde hier schmelzen.
Die Blende des Chiron Sport überdeckt vier Endrohre der sechsflutigen Abgasanlage am Heck und hat nicht nur optische Vorteile, sondern auch technische: Sie hilft mit ihren großen und stabilen Tuben die Abwärme der heißen Auspuffgase vom Heck zu leiten, damit kein Hitzestau entsteht. Für ein Fahrzeug mit 1.500 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 420 km/h sind es diese Kleinigkeiten, die ihn zu einem echten Bugatti und perfekten Hypersportwagen machen. Weiterer Vorteil: Im Vergleich zu einer normalen Blende wiegt das gedruckte Teil mit 2,2 Kilogramm 800 Gramm weniger. Getreu dem Motto Ettore Bugattis „Gewicht ist der Feind“ untersucht Bugatti jedes Bauteil nach weiteren Möglichkeiten der Gewichtsreduzierung.
3-D-Druck bietet mehrere Vorteile
Im 3-D-Druck einer speziellen Laser-Druck-Anlage schmelzen ein oder mehrere Laser eine drei bis vier dünne Pulverschicht nacheinander auf. „Der Vorteil des 3-D-Druckverfahren liegt in den möglichen geometrischen Formen. Es kann komplizierte Figuren sehr fein drucken, die bei anderen Techniken wie Schmieden oder Umformen reißen würden“, sagt Nils Weimann. Für Bugatti eine ideale Produktionsart: Keine Werkzeugkosten, eine vergleichsweise schnelle Produktion und individuelle Anpassungen der Form sind einfach möglich. Dadurch lassen sich organische Geometrien wie aus der Pflanzenwelt entwickeln, es gibt fast keine Grenzen.
Mehrere Tage dauert der Druck der Abgasblende. Nach dem Druck mit dem Werkstoff Inconel® 718 scannen Materialprüfer das Bauteil in einem Computertomographen (CT), um eventuelle Fehldrucke mit Lufteinschlüssen zu entdecken. Beim Titan-Druck des Chiron Pur Sport und Chiron Super Sport 300+ vermessen Prüfingenieure das Bauteil optisch im 3-D-Verfahren. Durch die extrem dünnwandige Bauweise lassen sich eventuelle Lufteinschlüsse relevanter Größe schon an der Außenseite erkennen. Anschließend wird die rohe Blende des Chiron Sport mit Korund feingestrahlt und erhält mit einem Hochtemperatur-Keramiklack in Schwarz einen eleganten Schutz. Die Titan-Blenden des Chiron Pur Sport und Super Sport 300+ behalten indes ihre edle matte Titan-Optik. Jedes Teil wird wieder überprüft. Nur perfekte Blenden werden anschließend montiert.
Mit den neuen Blenden erhalten die Abgasanlagen der Hypersportwagen eine noch harmonischere Flächenführung, eleganteres Design und ein funktionales Styling. Ganz nach der Ideologie Ettore Bugattis: Ein Fahrzeugteil muss technisch perfekt sein. Aber auch elegant und schön.