Bugatti-Erfindung Aluminium-Räder – Zwischen Design und Technik
Molsheim
Ettore Bugatti entwickelte vor über 95 Jahren erstmals Räder aus Aluminium
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![Bugatti Type 35](https://mediadatabase.cdn.bugatti-newsroom.com/v/9I3AS585.webp/fit-in:448x896/quality:75)
![Bugatti Veyron](https://mediadatabase.cdn.bugatti-newsroom.com/v/hJJc0jLM.webp/fit-in:448x896/quality:75)
Nahezu jedes sportliche Fahrzeug kleiden sie – Räder aus Aluminium. Was Wenige wissen: Vor rund 95 Jahren setzte sie der französische Automobilproduzent Ettore Bugatti das erste Mal in einem Type 35 ein.
Erstmals entwickelten 1886 unabhängig voneinander der Erfinder Charles Martin Hall und der Chemiker Paul Héroult ein Elektrolyseverfahren zur Herstellung von Aluminium. Auf die Idee, Räder aus Aluminium herzustellen, kommt 1920 der Rennwagenkonstrukteur Harry A. Miller. Er lässt sie zwar patentieren, produziert aber keine Räder. Erst Firmengründer Ettore Bugatti schafft es wenig später, in einer eigenen Gießerei in Molsheim mit selbst konstruierten Formen Räder, Speichen und Bremstrommeln aus Aluminium zu gießen. Der geniale Erfinder und Tüftler entwickelt das Aluminium-Rad weiter, meldet unter seinen über 500 Patenten auch mehrere neue Ideen für Räder an. Wie im Mai 1924 das Patent zu „Verbesserungen an Fahrzeugrädern mit Kühlscheiben“ und 1933 das „Elastische Rad, dessen Radkranz in radialer und axialer Richtung gegen den Radkörper abgefedert ist“.
Bugatti Type 35 Rennwagen setzt erstmals auf Aluminium-Räder
Ab 1924 setzt Bugatti beim legendären Rennwagen Type 35 statt Räder mit dünnen Speichen erstmals auf Räder aus Aluminiumguss mit acht flachen und breiten Speichen, abnehmbarem Felgenkranz und integrierter Bremstrommel. Die schlichte Formgebung gleicht nahezu einer Skulptur – ein Musterbeispiel für den ästhetischen Anspruch Ettore Bugattis. Der erste Einsatz der neuen Räder beim Großen Preis in Lyon am 3. August 1924 verläuft allerdings enttäuschend: Mehrere Rennwagen fallen wegen technischer Probleme aus. Schuld sind allerdings nicht die Räder, sondern die angelieferten Reifen. Durch fehlerhaftes Vulkanisieren löst sich bei mehreren Reifen die Lauffläche.
Doch Bugatti hält an seiner Innovation fest. Neben dem Design bewegen ihn vor 95 Jahren auch technische Gründe, diese neuen Räder zu entwickeln. Radhäuser sind für etwa ein Viertel des aerodynamischen Widerstands eines Fahrzeugs verantwortlich. Umso durchdachter das Felgendesign, umso besser die Luftströmung und so geringer die Verwirbelung. Dazu kommt eine bessere Wärmeabfuhr. Bei sportlichen Fahrzeugen, deren Bremsen stark beansprucht werden, muss die Wärme der Bremse schnell und ausreichend abfließen. Mehr Freifläche bedeutet eine bessere Kühlung und dadurch eine bessere Bremswirkung. Das offene Design mit den flachen Speichen hilft die von den Bremsen produzierte heiße Luft ohne Hitzestau schnell wegzulenken.
Aluminium-Räder bieten viele Vorteile
Die Bugatti-Räder mit angegossener großzügig verrippter Bremstrommel bieten noch weitere Vorteile. Der am äußeren Felgenrad mit zuerst 32, später dann 24 Schrauben montierte Ring verhinderte das Abspringen des Reifens auch bei schneller Kurvenfahrt – die Fahrer können nun höhere Kurvengeschwindigkeiten erzielen. Durch eine Zentralbefestigung lassen sich die Räder in der Boxengasse schnell wechseln.
Dazu kommt ein geringes Gewicht und damit niedrigere ungefederte Massen gegenüber Rädern aus Stahl. Je geringer die ungefederten Massen sind, desto niedriger bleibt das Trägheitsmoment, umso besser wird das Fahrverhalten. Der Type 35 lässt sich damit leichter und exakter lenken, besser bremsen und federt komfortabler als vergleichbare Rennwagen der damaligen Zeit. Bei früheren Rennen, die oft mehrere Stunden oder gar Tage dauerten, konnten die Fahrer deshalb länger, schneller und konzentrierter fahren. Ein Grund, warum Bugatti-Piloten zwischen 1925 und 1930 auf den Rennstrecken der Welt dominieren. Noch heute überanstrengt der Type 35 seinen Piloten nicht.
Bugatti produziert in den nächsten Jahren sieben verschiedene Typen von Aluminiumräder. Für die Rennwagen Type 35, Type 39 und Type 51 stellt das französische Unternehmen drei verschiedene Versionen her: in 20 Zoll mit kleinen Bremsen, in 19 Zoll mit großen Bremsen und 19-Zoll-Tiefbettfelgen mit großen Bremsen. Die gegossenen Räder mit den acht breiten Aluminiumspeichen werden neben dem hufeisenförmigen Kühlergrill zum Erkennungszeichen für Bugatti. Ein Design, das auch der erste Bugatti Hypersportwagen der Neuzeit, der Veyron mit dem Sondermodell Veyron Fbg par Hermès aufnimmt.
Entwicklung von leichteren Rädern geht immer weiter
Auch wenn heute die meisten Autos auf Aluminiumräder setzen, geht bei Bugatti die Entwicklung ständig weiter. Bei den aktuellen Hypersportwagen Chiron und Divo kommen sehr leichte und stabile Räder aus einer speziell geschmiedeten Aluminiumlegierung zum Einsatz. Denn bei Geschwindigkeiten jenseits der 400 km/h sind Räder und Reifen extremen Belastungen und G-Kräften ausgeliefert. Wie vor fast 95 Jahren sind die ungefederten Massen entscheidend fürs Fahrverhalten. In einem einzigartigen Verfahren werden dafür beide Radseiten und Hohlräume feingefräst, um ein minimales Gewicht für maximale Stabilität und Steifigkeit zu erhalten – natürlich im Einklang mit einem ästhetischen Design. Anschließend wird das Rad pulverbeschichtet und glanzgedreht. Je nach Kundenwunsch lässt sich der Radsatz in verschiedenen Farben lackieren.
Statt acht Speichen setzen die Ingenieure aktuell auf ein Fünf-Speichen-Y-Layout, das die Kräfte optimal auf die fünf Radbolzen abgibt und für ausreichend Stabilität und Sicherheit sorgt. So halten die leichten Räder selbst extremen Drücken und Kräften stand.
Denn bei Höchstgeschwindigkeit dreht sich der Reifen über 50 Mal pro Sekunde. Dabei treten an der Lauffläche Kräfte auf, die etwa dem 4.000-Fachen der Erdbeschleunigung (g 9,81 m/s2) entsprechen. So steigt das Gewicht des Ventils bei Vollgasfahrt von 18,3 Gramm auf rund 55 Kilogramm. Der Schnelllauftest erfolgt auf Prüfständen für Renn- und Flugzeugreifen sowie auf einem NASA-Prüfstand, der extra für die Space-Shuttle-Reifen entwickelt wurde. Bei diesen aufwändigen Prüfstandstest werden Räder und Reifen sehr hohen Kräften ausgesetzt und immer wieder durch Röntgen und MRT-Verfahren kontrolliert.
Für die Zukunft forscht und entwickelt Bugatti weiter an neuen Werkstoffen und einem ausgeklügelten Design, um Räder und damit das ganze Fahrzeuge noch leichter, agiler und aerodynamischer werden zu lassen. Genauso wie vor rund 95 Jahren, als Ettore Bugatti mit dem neugeschaffenen Acht-Speichen-Rad eine Ikone schuf.